DER UNTERARMSTÜTZ

RÜCKENVERLETZUNG

VORPROGRAMMIERT

Foto: Klaudia Lech

4D PRO Erfinder, Dr. Dr. med. Homayun Gharavi im Interview

Die Gefahr statischer Übungen

Moderne Fitness baut auf einem guten Grundverständnis über die Physiologie und Anatomie des menschlichen Körpers. Dies kommt immer mehr zum Tragen, da die Fitnessbranche sich, mehr als je zuvor, auf die Be- dürfnisse einer alternden Demographie einstellen muss, um diese als Klientel anzusprechen und zu gewinnen.

Die Industrie hat sich ebenfalls auf Lösungen eingeschossen, die die Ansprache und Ver- sorgung der Best Ager anstreben. Neben Geräten, finden sich auch unzählige Trainingskonzepte, die eine gute, präventive Form und ein rundum gesundes Dasein versprechen. Wir sprachen mit dem dreifachen Olympia-Arzt und Sportwissenschaftler, Dr. Dr. med. Homayun

Gharavi, der als Kritiker vieler etablierter Methoden aus Medizin und Sport gilt, über den Sinn und Unsinn des Unterarmstützes.

Der Unterarmstütz wird in vielen Trainingsformen als effektive Übung zur Rumpfstabilisation eingesetzt. Wer ihn durchgeführt hat, weiss, wie sehr dabei die gesamte Muskulatur gefördert und gefordert wird. Sie jedoch halten nicht viel von dieser Übung?

Dr. Dr. med. Gharavi: Richtig. Ich behaupte sogar, dass der Unterarmstütz eine Gefahr für erneute Rückenverletzungen darstellt. Wenn wir uns die Natur dieser Haltung anschauen, verlangt sie alles vom neuromotorischen System ab, was von der Natur nicht vorgegeben ist. Indem der Muskel seiner natürlichen Funktion – der Verkürzung – beraubt wird, entsteht eine Kettenreaktion, die alle Systeme des Körpers in Mitleidenschaft zieht.

Können Sie das näher erläutern?

Der Muskel ist in seinem Aufbau ein kontraktiles Gewebe, das heißt, dass er sich verkürzt, wenn er seine Funktion ausführt. Kontraktion bedeutet übersetzt ‚Verkürzung’ und mit dieser Verkürzung kommen Sehnen auf den so wichtigen Zug und Gelenke dazu, ihre natürliche Funktion, nämlich die Bewegung, auszuführen. Wenn sich Gelenke bewegen, erhält der Knorpel wiederum seine natürliche Funktion, usw.

Sie meinen also, dass eine starre isometrische Belastung nichts Natürliches darstellt?

Überzeugen Sie mich gerne vom Gegenteil [lacht]. Kennen Sie eine Situation im Leben in dem Sie sich länger nicht bewegen?

Im Schlaf?

Da sind Sie entspannt! Kommen Sie, strengen Sie sich an.

Nun ja, wenn wir auf einen Baum oder Fels klettern, kommt es schon vor, dass wir uns zwischendrin über eine längere Zeit festhalten müssen.

Stimmt schon, aber da versuchen wir die Haltezeit so kurz wie möglich zu halten, um schnellst möglich wieder in die Bewegung überzugehen. Wenn wir einen explosiv durchgeführten Abdruck aus dem gehaltenen Liegestütz als Zielbewegung durchführen, bin ich schon glücklicher. Aber der Unterarmstütz, mit dem Ziel diesen möglichst lange zu halten, ist schlichtweg fahrlässig.

Ausgewiesene Experten sehen den Unterarm- stütz aber als Grundlage für den aufrechten Gang. Sehen Sie das also anders?

Natürlich. Der aufrechte Gang kommt von Aufrichten. Für die Aufrichtung zum Zweibeiner ist maßgeblich die dorsale (hintere) Kette verantwortlich. Im Unterarmstütz steht hauptsächlich die vordere/ ventrale Kette unter Spannung, um das Absinken des Beckens zu verhindern.

Sie sagten vorhin, dass der Unterarmstütz gar ge- fährlich sein kann. Können Sie das näher erklären?

Kennen Sie diesen Trick, den Kinder gegenseitig ausprobieren, in dem sie die Arme an den Körper anlegen und dann gegen den Widerstand durch einen Freund abzuspreizen versuchen? Dabei wird über 10 – 20 Sekunden Kraft aufgebaut, ohne dass

sich etwas bewegt. Dann tritt der Freund beiseite und die locker hängenden Arme scheinen sich, trotz nun ermüdeter Schultermuskulatur, wie von selbst in die Abspreizung zu heben. Das Empfinden, etwas mit Leichtigkeit zu bewegen, kann also nichts mit erhöhter Muskelkraft zu tun haben. Das ist ein Paradebeispiel dafür, wie unser neuromotorisches System auf derartige Reize reagiert.

Mit dem Unterarmstütz passiert dasselbe Phäno- men, denn nach Beendigung der Übung, zieht es den Körper eher in die Beugehaltung. Also genau entgegen der Aufrichtung! Das hat zur Folge, dass in der gebeugten Position, mehr Zug auf der hinteren Kette lastet. Die Rückenbeschwerden sind damit vorprogrammiert. Das schlimmste Übel beim Unterarmstütz ist jedoch, dass das Gehirn geschult wird, Signale für die Starre zu generieren. Und mit Ausführung dieser Starre soll der Kunde oder Patient dann seinen Gang, also eine Bewegung verbessern? Es ergibt auf so vielen Ebenen einfach keinen Sinn.

Also ist der Unterarmstütz in der Rehabilitation eher kontraproduktiv?

Nicht nur in der Reha. Betrachten wir einmal das klassische Rücken oder LWS-Syndrom mit den Beschwerden im unteren Rücken: Jeder hat diese schon erlebt. Dabei wird der Rumpf verkrampft und fest, wie in Gips gegossen, geführt. Ein gesunder funktioneller Rücken jedoch ist alles, außer fest! Er bewegt sich flexibel und uneingeschränkt in allen Ebenen, die anatomisch möglich sind. Nun soll dieser gesunde Rücken als Prävention so tun, als sei er verletzt und im Unterarmstütz stabilisieren? Das Wort ‚Stabilisierung’ impliziert Starre und Stillstand, was mit dem Leben nicht vereinbar ist. So habe ich das Wort komplett aus meiner Terminologie gestrichen.

Haben Sie ein besseres Wort?

Kontrolle. Es beschreibt die Dynamik, als auch die Haltung.

Verstanden. Aber was empfehlen Sie all den Trainern, die den Unterarmstütz als festen Bestandteil ihrer Arbeit ansehen?

Seid mutig und meidet alles, was die Bewegung erstickt. Wenn schon Planke, dann kombiniert sie wenigstens mit einer beschleunigenden Bewegung eines Körperteils, denn so füttert Ihr auch das Nervensystem.“

Sie sind der Entwickler des 4D PRO Bungee Systems. Das Training mit der elastischen Kraft von Gummibändern sieht so schön leicht aus.

Ich dachte schon Sie fragen mich nie [schmunzelt]. Der 4D PRO entstand nicht als Geschäftsidee, sondern als Therapiegerät für eine rückenverletzte Profi-Schwimmerin. Er bietet tatsächlich eine externe Kraft, die auf den Körper wirkt, wie eine Muskelkraft, die es zu kontrollieren gilt.

Foto: 4D CoreSpeed GmbH

Ähnlich wie im Trampolin muss der Nutzer im richtigen Zeitpunkt gegen die elastische Kraft spannen, um die Bewegung aufrechtzuerhalten. Wie im Tram- polin auch, sieht die Bewegung im 4D PRO Bungee Trainer immer sehr leicht aus, erfordert jedoch ein Höchstmaß an Kontrolle und Arbeit.

Die Gummibänder des 4D PROs wirken wie eine externe Muskelkraft?

Genau. In der Tat habe ich beim Entwurf der elasti- schen Einheiten darauf Wert gelegt, dass sie der Kraft-Dehnungs-Kurve der Muskulatur möglichst nahekommen. Daher bestehen die Bänder aus bis zu 200 einzelnen Gummifilamenten. Dies wertet im Vergleich zu hohlen Gummischläuchen das Trainings- erlebnis auf und erhöht gleichzeitig die Sicherheit.

Inwiefern lässt sich das Training mit dem 4D PRO Bungee Trainer wirklich zu Gunsten der Gesund- heit argumentieren?

Ganz einfach. Im 4D PRO Bungee Trainer wird die Bewegung rehabilitiert, ganz gleich, wo eine Ver- letzung oder eine Schwachstelle vorliegen mag. Auch bei unverletzten Nutzern wird die Ausfüh- rung der Bewegung unterstützt und somit die Be- wegungsqualität geschult. Der Der 4D PRO erlebt derzeit weltweit einen regelrechten Boom, weil er scheinbar das Feld des Trainings mit dem der Therapie vereint und Patienten wie Kunden und Sportler gleichermaßen mit Spaß auf ihrem Leis- tungsstand abgeholt werden.

Wenn wir einen verletzten Patienten betrachten, wie können wir dann von Training sprechen, wenn er doch zunächst gegen Schwellung und Entzündung arbeiten muss?

Das Wort Training beschreibt per se nicht unbe- dingt einen Hochleistungssportler, der sich auf einen Wettkampf vorbereitet. Training bedeutet einen adäquaten Reiz zu setzen, der eine struktu- relle Veränderung als Antwort stimuliert. Dies kann auf jeder Leistungsebene geschehen. Die größte Eigenschaft des Trainings ist die aktive Durchführung von Bewegungen also eine Neuro-Motorische Ansteuerung

Der Therapeut begleitet den Patienten eher wie ein Trainer, der Aufgaben ausspricht, die der Patient unter den korrigierenden Augen des Trainers ausführt. Es geht also um das Wechselspiel zwischen Aktion, Feedback und Korrektur. Dies kann ab dem ersten Tag nach der Operation umgesetzt werden. Insgesamt motiviert es den Menschen auch ganz anders, wenn die Rede von Training, anstelle von Therapie ist.

Manchmal schreiben ärztliche Anordnungen aber vor, dass der betroffene Körperteil weder bewegt noch belastet werden darf. Wie verhält sich dann mit dem Training?

Das sehe ich eigentlich als politisches Problem, da wir Ärzte niemals gelernt haben, was alles durch gute Physiotherapie möglich ist und trotzdem uns anmaßen, vorzuschreiben, was alles NICHT geht. Aber auch in dem Fall lässt sich das Training umsetzen. Dazu muss besonders der Arzt verstehen, dass Verletzungen keine Krankheiten darstellen. Wenn man krank ist, ist der gesamte Körper in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Bei akuten Erkrankungen nimmt sich der Körper die Auszeit und es wird unmöglich, auch nur Teile des Körpers zu trainieren. So kann man bei einer Virenerkrankung nicht von seinem Kunden erwarten, beim Training zu erscheinen, um nur die Beine zu trainieren. Bei einer Verletzung jedoch kann und sollte man, die Verletzung respektierend, ein adaptiertes Trainingsprogramm für den restlichen Körper anbieten. Im Übrigen entstand der 4D PRO genau aus diesem Anlass. Bewegung, trotz Verletzung oder Handicap, wie Arthrose oder Übergewicht, neu erleben zu können.

Sie haben also verschiedene Rehabilitationsprogramme für unterschiedliche Verletzungen, die Entschuldigen Sie, wenn ich unterbreche, aber genau genommen sollte es keine Knie-, Rücken- oder Schulterrehabilitation geben. Intelligente Programme rehabilitieren die Bewegung des gesamten Körpers, zum Beispiel gehen, laufen, hocken, springen, strecken, heben, schieben, ziehen, etc., die aufgrund egal welcher Verletzung gestört ist.

Bei allen Bewegungen stellt die Schwerkraft das größte Hindernis dar. Meist werden Bewegungen unmittelbar möglich, wenn die Schwerkraft ausgeschaltet wird. Und so unterstützt unser 4D PRO Bungee Trainer den Körper bei jeder erdenklichen Bewegung derart, dass sie beschwerdefrei durchgeführt werden kann. 100 Kniebeugen trotz Arthrose, kein Problem.

Fazit?

Wir müssen vor allem in unseren Köpfen Veränderungen zulassen, um dem Fortschritt eine Chance zu geben.

medical fitness and healthcare | 02/2017